Chorea-Huntington-Erkrankung.

Definition

Der Name Chorea (griech. Choreia = Tanz) rührt von den für die Erkrankung typischen unkontrollierten Bewegungen, wie überschießenden Bewegungen, einem torkelnden Gang, oder dem Grimassieren.

Die Chorea Huntington wurde erstmals 1841 von C.O. Waters beschrieben. Benannt wurde sie später nach dem amerikanischen Nervenarzt George Huntington aus Ohio, der 1872 erkannte, dass es sich um eine Erbkrankheit handelt und sie von der Chorea minor, die eine Folge einer Streptokokkeninfektion ist, abgrenzte.

Die Bezeichnung Veitstanz = Tanzwut ist eine Lehnübersetzung des mittellateinischen Begriffs Chorea Sancti Viti. Ursprünglich war Veitstanz die Bezeichnung für die Tanzwut, zu deren Heilung man im 14. Jahrhundert nach der Veitskapelle bei Ulm wallfahrte. Bei der Chorea Huntington werden die normalen Bewegungsabläufe durch nicht kontrollierbare Bewegungen zeitweilig unterbrochen, was an einen Tanz erinnern kann. Heute werden mit Chorea plötzlich einsetzende, vielgestaltige unwillkürliche Bewegungen verschiedener Muskeln, besonders der distalen (vom Rumpf weiter entfernt) Extremitäten bezeichnet, die bei verschiedenen Erkrankungen auftreten können (z.B. Chorea minor Sydenham, Chorea gravidarum).

Nachdem 1983 das Gen in einer Region des kurzen Arms des Chromosoms 4 lokalisiert wurde, dauerte es noch zehn Jahre bis das verantwortliche Gen identifiziert werden konnte. Das Huntingtin-Gen enthält einen Bereich aus Wiederholungen des Codons Cytosin-Adenin-Guanin (CAG-Repeat). Mutationen, die durch CAG-Repeat-Verlängerungen charakterisiert sind und zu langen Polyglutaminen führen, kennt man nicht nur von der Huntington-Krankheit, sie sind auch bei der Alzheimer-Erkrankung, oder bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zu finden. Es sei erwähnt, dass einer der ganz großen amerikanischen Balladen-und folksong-Schreiber und -Sänger, der im Jahre 1912 in Okemah/Oklahoma geborene Woodrow Wilson (Woody) Guthrie, an dieser Krankheit im Jahr 1967 verstarb.

Ursachen

Die Ursache der Huntington-Krankheit ist eine Mutation im Huntingtin-Gen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 4. Bei den Mutationen handelt es sich um Verlängerungen einer Sequenz aus Wiederholungen des Nucleotidtripletts Cytosin-Adenin-Guanin (CAG-Repeat), das die Aminosäure Glutamin verschlüsselt (codiert). Die Repeat-Ausdehnungen im codierenden Bereich des Gens führen zur Bildung von langen Polyglutaminen. Durch den Einbau einer zu langen Abfolge von Glutaminresten in das Eiweiß Huntingtin erfolgt eine Stukturumwandlung in eine Amyloidstruktur, die zu einer Zerstörung von Nervenzellen führt. Bei Gesunden wiederholt sich das CAG-Codon 10 bis 30 mal, bei einer Verlängerung von über 37 kommt es zur Manifestation der Huntington-Krankheit, dazwischen liegt eine Grauzone. Es besteht eine eindeutige Beziehung zwischen der Anzahl der Repeats und der Schwere der Erkrankung. Je mehr Repeats vorliegen, desto früher ist mit dem Ausbruch der Erkrankung zu rechnen und desto ungünstiger ist dann die Prognose

 

 

Häufigkeit

Die Häufigkeit der Huntington-Krankheit wird mit 5 bis 10 auf 100 000 Menschen angegeben. Sie gehört damit zu den häufigsten genetisch bedingten neurologischen Erkrankungen. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

 

 

Symptome

Die ersten Symptome der Huntington-Krankheit treten im allgemeinen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr auf. Ein Erkrankungsbeginn vor dem 10. Lebensjahr bzw. nach dem 60. Lebensjahr ist selten. Die Symptome können in neurologische und psychische unterschieden werden, die sich ihrerseits im Früh- und Spätstadium der Erkrankung unterscheiden. Ein später Erkrankungsbeginn ist häufig mit einem milderen Krankheitsverlauf assoziiert und umgekehrt.

 

Diagnose

Die klinische Diagnose der Erkrankung ist im Frühstadium schwierig. Die Bewegungsstörungen sind anfangs gering ausgeprägt, aber bei der neurologischen Untersuchung können bereits Störung der Artikulation sowie der Augenbewegung auffallen. Mit zunehmender Ausprägung der typischen Bewegungsstörungen kann sich der Verdacht auf eine Huntington-Krankheit erhärten. Von besonderer Bedeutung bei der Diagnosestellung ist das Vorkommen der Huntington-Krankheit in der Familie.

 

 

Therapie

Eine kausale Therapie, also eine Therapie der Ursache der Erkrankung, existiert bisher nicht. Eine symptomatische Behandlung ist nur begrenzt möglich, das Voranschreiten der Erkrankung ist damit nicht zu verhindern.

 

Ernährung

Um der Abmagerung und dem Kräfteverfall entgegenzuwirken, sollten die Patienten hochkalorisch ernährt werden. Dabei müssen die Schluckstörungen bedacht werden. Dünnflüssige Nahrung wird häufig "verschluckt", besser ist eine breiige Konsistenz der Nahrung. Es sollten öfter kleinere Mahlzeiten gereicht werden, z.B. 5-6 Mahlzeiten pro Tag. Genussmittel, wie Kaffee, Nikotin und Alkohol können sowohl die Symptomatik verstärken als auch die Wirkung der Medikamente abschwächen.

 

Medikamentöse Behandlung

Es werden vielfältige Ansätze in der medikamentösen Therapie der Huntington-Krankheit verfolgt, die sich aber bisher noch im Experimentalstadium befinden. Die medikamentöse symptomatische Therapie sollte unbedingt durch einen Neurologen erfolgen, da fast alle derzeit bei der Therapie der Huntington-Krankheit gebräuchlichen Medikamente auch einen ungünstige Wirkungen haben können.

 

Begleitende Behandlung

Neben der medikamentösen Therapie ist Krankengymnastik außerordentlich wichtig. Dazu gehört u.a. auch ein logopädisches Training, um Sprechstörungen entgegenzuwirken. Darunter werden auch Schluckstörungen günstig beeinflusst. Eine Unterweisung in Entspannungstechniken, wie z.B. autogenes Training, ist nicht nur dem Patienten selbst, sondern auch den Angehörigen zu empfehlen. Auch von einer begleitenden Psychotherapie kann nicht nur der Patient sondern auch die Familie profitieren.

 

 

 

Komplikationen

Komplikationen ergeben sich aus der gestörten Koordination der Muskelbewegung. Infolge der Schluck- und Atemstörungen kann es zum Verschlucken, Aspiration oder Ateminsuffizienz kommen. Zum anderen geht die depressive Stimmungslage der Patienten mit einer relativ hohen Selbstmordrate einher.

 

 

Prognose

Die Huntington-Krankheit ist nicht heilbar, sie hat einen fortschreitenden Verlauf und endet immer mit dem vorzeitigen Tod. 15 Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome lebt nur noch etwa ein Drittel der Patienten. Es sind aber auch Krankheitsverläufe von über 40 Jahren möglich. Die häufigsten Todesursachen dabei sind Ateminsuffizienz, also Atemstörungen, und Aspirationspneumonien, also Lungenentzündungen durch Verschlucken, infolge der gestörten Koordination der Atemmuskulatur.

 

 

Prophylaxe

Es gibt keine vorbeugenden Maßnahmen, die den Ausbruch der Erkrankung verhindern können, wenn die Genveränderung vorliegt. Durch den Verzicht auf leibliche Kinder oder eine vorgeburtliche Diagnostik mit der Option eines Schwangerschaftsabbruchs bei nachgewiesener Genveränderung kann allenfalls die Geburt eines Kindes verhindert werden, das zunächst gesund ist, aber irgendwann im Erwachsenenalter erkranken wird. Betroffenen Familien sollte daher das Angebot einer genetischen Beratung geboten werden.